Nach zwei schweren Kriegsjahren sind die Frontsoldaten geistig ausgehungert. Das Rote Kreuz ruft zu Bücherspenden auf, um sie mit Lesestoff versorgen zu können.
Der Erste Weltkrieg dauert schon zwei Jahre, und die Motivation der Soldaten sinkt kontinuierlich. Das Zentralkomitee vom Roten Kreuz initiiert deshalb eine umfangreiche Büchersammlung. Ein Spendenaufruf mahnt: "Der Daheimgebliebenen Pflicht ist es, dazu beizutragen, dass der Geist unserer Truppe in langer, ermüdender Kriegsarbeit frisch bleibe. Bücher sind Freunde und bedeuten für unser Heer und unsere Flotte eine geistige Macht."
Bis 1917 werden nahezu zehn Millionen Bücher gesammelt. Fahrbare Kriegsbüchereien bringen sie an die Front und in die Lazarette und versorgen die kulturell ausgehungerten Soldaten mit Lesefutter. Die Bibliotheken enthalten acht aufklappbare Kisten mit insgesamt 1.000 Büchern. Von den Soldaten werden sie in Analogie zu den Gulaschkanonen "Bildungskanonen" genannt. Weil die kalten und trübseligen Wintertage an der Front oft eintönig und langweilig sind, steigt die Nachfrage nach anspruchsvoller Literatur, je länger der Krieg dauert.
Symptomatisch ist folgender Brief vom 13. Oktober 1916: "Ich erlaube mir, mit einer großen Bitte an Sie heranzutreten, die Sie mir und meinen Kameraden vielleicht erfüllen mögen. Uns allen im Quartier ist der so ersehnte Lesestoff ausgegangen, und der traurige französische Winter steht vor der Tür. Möchten Sie uns vielleicht Romane und dergleichen zukommen lassen? Zu tausend Dank würden Sie uns verpflichten. Sie glauben nicht, verehrte Herrn, wie öde und trübselig der französische Winter ist. Wir alle hoffen auf eine Erfüllung unserer Bitte und danken im Voraus herzlichst. J. S." (Zitiert nach: Wilhelm Schessen, Die Liebesarbeit für unsere Feldgrauen, 1917).